Streik im Ulmer Stadtverkehr am 26. Mai 2012 - Ermahnungen wegen verweigerter Arbeitsleistung sind aus Personalakten der Arbeitnehmer zu entfernen

Datum: 31.07.2013

Kurzbeschreibung: 

Die Städte Ulm und Neu-Ulm betreiben gemeinsam die SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH, die wiederum hundertprozentige Gesellschafterin der SWU Verkehr GmbH (Beklagte) und der SWU Nahverkehr GmbH ist. Die Beklagte  betreibt und unterhält die Infrastruktur/Netze. Die SWU Nahverkehr GmbH ist von den Städten Ulm und Neu-Ulm als interne Betreiberin für die Erbringung der Verkehrsleistungen zuständig. Früher war dies die Beklagte. Geschäftsführer beider Gesellschaften ist Herr Ingo Wortmann. Die SWU Nahverkehr GmbH, die über keinerlei Fahrzeuge verfügt, hat die Verkehrsdienstleistungen an die in Bobingen bei Augsburg ansässige Fa. Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH vergeben, deren Gesellschaftsanteile zu 51,17% die Beklagte hält und die auch Büroräumlichkeiten in Neu-Ulm unterhält. Die Fahrzeuge werden jedoch auf dem Betriebsgelände der Beklagten in der Bauerhoferstr. 9 in Ulm abgestellt. Dort befindet sich auch die Leitstelle. Von dort wird die Einsatzplanung vorgenommen. Die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH setzt für den Stadtverkehr Ulm/Neu-Ulm ca. 60 eigene Arbeitnehmer ein. Im Übrigen erbringt sie ihre Verkehrsdienstleistungen mit ca. 130 Leiharbeitnehmern, die sie sich seit 2006 von der Beklagten entleiht, die seit diesem Zeitpunkt selbst keine Verkehrsdienstleistungen mehr erbringt. Die Kläger sind von der Beklagten an die Fa. Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH verliehene Arbeitnehmer. Die Beklagte verfügt über eine unbefristete Arbeitnehmerüberlassungsgenehmigung.

Am 26.05.2012 wurde die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH unter der Führung der Gewerkschaft ver.di ab Beginn der Frühschicht (4:00 Uhr) ganztägig bestreikt.  Die Kläger machten gegenüber der Beklagten  ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜG geltend. Diese Vorschrift besagt, dass Leiharbeitnehmer nicht verpflichtet sind, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Die Beklagte trägt vor, Herr Wortmann habe in seiner Funktion als Geschäftsführer der SWU Nahverkehr GmbH beschlossen, den Fahrauftrag zur Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs für den Streiktag an die Beklagte vergeben zu haben. Die Fahrzeuge seien der Beklagten für diesen Tag von der Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH zur Verfügung gestellt worden. Die Kläger haben die Anweisung erhalten, an diesem Streiktag nicht für die Entleiherfirma in Leiharbeit zu fahren, sondern für sie selbst im originären Arbeitsverhältnis. Die Kläger haben dies als unzulässige Aufforderung zum Streikbruch verstanden und die Arbeitsleistung verweigert. Die Beklagte erteilte den Klägern deshalb eine „Ermahnung“, deren Entfernung aus der Personalakte die Kläger begehren. Die Kläger waren erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Ulm mit Urteil vom 01. Februar 2013 erfolgreich.

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Ulm mit Urteilen vom 31.07.2013 bestätigt. Das Landesarbeitsgericht ging jedoch in seinen Entscheidungen davon aus, dass die seit 2006 von der Beklagten betriebene Arbeitnehmerüberlassung  nicht mehr nur vorübergehend war, sondern auf Dauer angelegt, und somit nicht mehr von der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Beklagten gedeckt war. Folge dieses Rechtsverstoßes ist, dass die Arbeitsverträge zwischen der Beklagten und den Klägern unwirksam wurden und neue Arbeitsverhältnisse zwischen den Klägern und der Fa. Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH als zustande gekommen gelten gem. § 10 Abs. 1 AÜG. Die „Ermahnungen“ wurden demnach nicht mehr vom richtigen Arbeitgeber ausgesprochen.
Selbst wenn man aber keinen Verstoß gegen das AÜG annehmen wollte, wären die Ermahnungen aus der Personalakte zu entfernen. Zwar konnten sich die Kläger nicht direkt auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜG berufen. Die Arbeitsaufforderung der Beklagten war aber nach Auffassung der 4. Kammer auf eine sog. „direkte Streikarbeit“ gerichtet, da die Kläger dieselbe Tätigkeit hätten verrichten sollen, die streikbedingt ausgefallen ist. Eine solche Arbeitserbringung war den Klägern unzumutbar. Die Beklagte hat ihr Direktionsrecht überschritten. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen.

Urteile vom 31.07.2013 (4 Sa 18/13 und 4 Sa 19/13)

             

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